Das Biber-Biotop in Mühlheim

Gratwanderung zwischen Anwohner-Interessen und Naturschutz

 

Seitdem sich an der Rodau im südlichen Ortsbereich von Mühlheim am Main der Biber niedergelassen hat, erfreuen sich Naturfreunde über ein großartiges Biotop. Allerdings klagen viele Anwohner über überschwemmte Gärten und Keller. Das Umweltreferat sucht nach Kompromissen, doch die inzwischen etablierte Bibersippe hat ihre eigenen Pläne …

 

Der Biber ist neben dem Menschen das einzige Tier, das in der Lage ist, durch Baumaßnahmen seine Umwelt nach eigenem Plan zu verändern. Doch im Unterschied zum Menschen tut es der Biber immer zum Wohle der Natur und schafft einzigartige Ökosysteme. Dass seine Maßnahmen zur Renaturierung einer Landschaft bei den menschlichen Nachbarn nicht immer auf Gegenliebe stoßen, wird in Mühlheim am Main deutlich. Dort sorgt seine Bautätigkeit für Konfliktpotenzial mit seinen menschlichen Nachbarn. Nun aber einmal der Reihe nach:

 

Im Herbst 2018 fielen im Süden von Mühlheim erstmals an Bäumen die Nagespuren des Bibers auf, und im Oktober stand dann auf der Höhe des Ortsteils Markwald der erste Biberdamm. Durch den Staudamm verwandelten sich einige der Auen entlang der Rodau in Wasserlandschaften. Bereits im November 2018 folgte flussaufwärts zwischen Markwald und Lämmerspiel ein zweiter Damm. Doch mit den neuen Staudämmen kamen auch die ersten Probleme, als nach den anhaltenden Niederschlägen im Dezember 2018 eine längere Überflutung von Radwegen, Gärten und Kellern resultierte. So entwickelte sich der nach Bundesartenschutzverordnung streng geschützte Großnager zum ersten „Problembiber“ im Rhein-Main-Gebiet. Nicht nur die Tiere selbst, sondern auch ihre Bauten dürfen nicht entfernt oder gestört werden. Sämtliche Eingriffe und Manipulationen bedürfen einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung durch die zuständige Untere Naturschutzbehörde.

 

Aufgrund der häufigen Überschwemmungen der angrenzenden Wohngebiete wurden Ausnahmegenehmigungen für stauregulierende Maßnahmen erteilt. Was dann folgte, war ein sich bis heute hinziehender Nachbarschafts-Zwist zwischen Mensch und Biber. Ein erster Schritt von menschlicher Seite war eine Absenkung des Damms, den der Biber allerdings schnell wieder auf die von ihm präferierte Höhe hochgebaut hatte. Als Nächstes versuchte man es mit einem Umgehungsgraben, doch auch den hatte der tierische Baumeister rasch wieder verschlossen.

 

Im Frühjahr 2019 entstanden ein neuer Biberdamm sowie eine Biberburg im Bereich der Hildebrandsmühle. Damit waren nicht nur noch mehr Wohngebiete von Überschwemmungen betroffen, sondern auch die Trinkwasserbrunnen der Stadt sowie der vielbenutzte Rad- und Fußweg im Westen von Mühlheim. Dieser Damm wurde vom Biber immer höher ausgebaut. Die Probleme nahmen zu, und im Winter 2019/2020 blieb ein Teil der Rodauaue nun dauerhaft geflutet. Zur Abhilfe wurden Drainagegräben gegraben, deren Abfluss allerdings nicht ausreichte. Daher folgte im April 2020 der Einbau zweier Rohre (Durchmesser 25 cm) direkt in den Biberdamm. Auch diese Maßnahme half nicht wirklich. Daher wurden die Rohre im Mai 2020 gegen größere, tiefer liegende Rohre ausgetauscht; zudem wurde Ende 2020 nach Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde auch ein Nebendamm abgetragen. Die Biber indes schienen immer weiter ihre Scheu abzulegen: Während in den ersten Jahren nur die Bauten und Nagespuren zu sehen waren, konnten nun auch immer häufiger die Tiere selbst am Damm und sogar bei Spaziergängen auf Gehwegen beobachtet werden.

 

Zur besseren Pflege der Drainage, deren Funktion von der Bibersippe immer wieder durch Gegenmaßnahmen beeinträchtigt wurde, fand im Januar 2021 der Bau einer Brücke zu den Drainagerohren statt. Allerdings erwies sich der Mensch als der schlechtere Baumeister, denn in dem von den Menschen umgebauten Bereich wurde mit dem nächsten Hochwasser der Biberdamm zerstört.

 

War das zu viel für den Biber? Er zeigte jedenfalls über viele Monate keine Versuche, den zerstörten Damm wieder zu reparieren. Auch sonst war lange von dem großen Nager, der in den Monaten zuvor immer wieder, vor allem in der Dämmerung, an „seinem“ Damm beobachtet werden konnte, nichts zu sehen. Stattdessen tauchten nun andere Großnager an den Resten des ehemaligen Biberdamms auf: Seit März 2021 tummelten sich plötzlich mehrere Nutrias direkt am Damm, seit dem Sommer 2021 waren dort sowie Rodau-abwärts auch Bisams zu beobachten. Die Tiere lassen sich nicht nur am unterschiedlichen Körperbau und der unterschiedlichen Größe, sondern vor allem auch am Schwanz selbst in der Dämmerung gut unterscheiden (siehe Übersichtstabelle). Frische Nagespuren ließen allerdings auch in dieser Zeit darauf schließen, dass die Biber immer noch im Biotop waren.

 

Schließlich wurde der Biber doch wieder aktiv: Im September 2021 stand plötzlich etwa 20 Meter flussabwärts des zerstörten Damms ein neuer, gewaltiger Biberdamm – und mit diesem kehrten die alten Probleme der Überschwemmungen wieder zurück. In der Folge wurden nun auch in den neuen Damm drei große Drainagerohre eingebaut.

 

Mein persönlicher Eindruck: Es scheint so, als hätte sich der Biber diesmal mit den baulichen Veränderungen abgefunden. Und es scheint so, als würde der Damm diesmal halten. Doch möglicherweise hält der Biber bereits Ausschau nach einem neuen Standort für den nächsten Damm: In letzter Zeit begegne ich ihm immer wieder bei meinen spätabendlichen Hundespaziergängen an der Brückenmühle, stromabwärts von seinem Damm, mitten in Mühlheim. Ich bin schon gespannt, was er als Nächstes baut.

 

Bilderstrecke: Mühlheimer Biberdamm an der Hildebrandsmühle (März 2020 bis heute).

 



Übersichtstabelle mit freundlicher Genehmigung von der NABU Umweltwerkstatt Wetterau.


Terxt und Bilder: Adela Žatecky, 11.04.2022